Hat die Podologie ein Frauen-Problem?

Nachwuchsmangel und Frauen-Themen

Was haben die Beiden gemeinsam?

Die Podologie hat definitiv ein Frauen-Problem; Das habe ich bereits hier und hier behauptet.

Ich glaube:

Wenn wir unsere Gender-Themen erfolgreich bearbeiten, lösen wir den Nachwuchsmangel.

Dazu ein paar Fakten:

In der Podologie überwiegt der Frauenanteil, und zwar nahezu 9:1

  • 2018: 87 % Frauenanteil in der Ausbildung
  • 2019: 88 % Frauenanteil in der Ausbildung
  • 2020: 87% Frauenanteil in der Ausbildung Quelle

Es sind fast 90 % Podologinnen, und nur gut 10 % männliche Podologen auf dem Markt.

Und wir Frauen ticken und leben einfach anders…Was bringt der Frauen-Anteil mit sich?

Das haben wir gerade live bei der neuen Vertragsänderung erlebt:

„Wir“ Podologinnen wollen alles richtig machen und sind deshalb leichter verunsichert, und fühlen uns wie Betrügerinnen wenn einmal 15 Minuten anders genutzt werden.

Und zack- wurde eine „Lösung“ für das „Problem“ Erstbefundung geschaffen. Inklusive weiterer Regulierungen, ist ja klar.

Ob das in einer reinen Männerwelt ebenfalls als notwendig erachtet worden wäre? Die Männer, die ich kenne, hätten gedacht „soll erst mal einer kommen und meckern, dann sehen wir weiter…“ .

Aber Spangen beiseite. Was außer meinem persönlichen Bauchgefühl spricht für Gender-Themen in der Podologie?

Folgen des Frauen-Überhangs

  1. Mehr private Care Arbeit:

„Der Großteil der Care-Arbeit wird von Frauen übernommen. Obwohl heutzutage die meisten Frauen erwerbstätig sind, übernehmen sie im Privaten dennoch durchschnittlich fast 53 Prozent mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer.

Im beruflichen Bereich wird sogar 80 Prozent der Care-Arbeit von Frauen geleistet. (Anmerkung: dazu zählt die Tätigkeit als Podologin).

In Anlehnung an den bekannten Begriff Gender-Pay-Gap wird diese ungleiche Verteilung von Sorgearbeit auch als Gender-Care-Gap bezeichnet.“

https://17ziele.de/blog/detail/equal-care-day.html

 

  1. Ausbildungsabbrüche

Schwierigkeiten in der Ausbildung und Abbrüche sind oft durch familiäre Hindernisse begründet.

Weil eben unsere Care-Bilanz nicht gut genug ausgeglichen ist, um noch eine Berufsausbildung draufzupacken.

Zum Glück wird die Abbrecherquote in den letzten Jahren langsam weniger, die Belastung während der Ausbildung ist aber extrem hoch und verlangt den Frauen viel ab. Natürlich ist auch die Familienplanung ein Thema, die führt aber eher zu Unterbrechungen.

Die Gefahr ist, wenn Auszubildende versuchen, zuhause alles genau wie bisher zu managen.

Sie kommt abends nach einem vollen Schultag nach Hause, kocht, räumt noch schnell auf und schaut nach den Hausaufgaben, bringt die Kinder ins Bett und bügelt dann noch eben, während sich die Erwartungshaltung der Familie nicht verändert hat.

Als gäbe es keine Schule und kein Praktikum; Das wird irgendwie so nebenbei gemacht, am besten im Verborgenen, um niemandem zur Last zu fallen oder Mehrarbeit zuzumuten.

Frauen sind gut beraten, vor Beginn der Ausbildung klarzustellen, dass sich die Rollenverteilung auch innerhalb der Familie verändern wird. Das tut allen Beteiligten gut, denn auch nach dem Examen hat man ja nicht nur Freizeit- schließlich geht es darum, Podologin zu werden.

Die Organisation ist schon die Übung für später, wenn man sich in der eigenen Praxis behaupten, und Anderen Mitarbeit und unangenehme Wahrheiten zumuten muss.

Warum ist dieses Thema wichtig?

Fachkräftemangel kann bekämpft werden, indem man Ausbildungsabbrüche verringert.

Jede abgebrochene Ausbildung = eine Podologin weniger.

 

  1. Familienfreundlichkeit im Berufsleben

Sowohl Praxisinhaberinnen als auch Angestellte müssen die Anforderungen der GKV (25 Stunden Öffnungszeit), aber auch organisatorische Anforderungen erfüllen.

Das ist in der Realität gar nicht so einfach:

  • Eine wirtschaftliche Kabinenauslastung ist mit Teilzeitkräften schwieriger;
  • Ferien-Belegung und Urlaubswünsche sind unter Frauen mit Kindern immer ein Reizthema.
  • Kinderbetreuung und Krankheitsfälle sind in der 1 zu 1 Behandlung ein Stressfaktor.

Das alles geht nur mit „freiem Rücken“, oder eben mit sehr aufwendigen Formen der Organisation unter guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Da ist jedenfalls noch Luft nach oben.

 

  1. Berufswahl Podologie = Gender Pay Gap 

Die Arbeit in (Care-)Branchen, in denen der Beruf als Berufung gesehen wird, wird schlechter entlohnt.

Eben wie ein Hobby und nicht wie ein wirtschaftlicher Broterwerb.

Was verdient man als Podologin?

Diese Frage stellt jede Interessentin, die sich über eine Ausbildung zur Podologin informiert. Leider mit ernüchterndem Ergebnis: der aktuelle Median liegt laut Entgeltatlas der Arbeitsagentur im Jahr 2023 bei 2140 € Brutto für eine Vollzeit-Stelle.

Attraktiv geht anders.

Aber auch Frauen selbst schämen sich, zuzugeben, dass Geld eine Motivation ist, oder dass sie überhaupt richtig gut verdienen wollen. Das ist Bäh, und passt nicht zu unseren Tugenden.

Das zeigt sich auch in Aussagen, die ich häufig höre, wenn es um den eigenen Verdienst geht:

„Geld ist mir nicht so wichtig“ oder

„mir reicht das, was übrigbleibt“ oder

„ich weiß gar nicht, was ich verhandeln soll“

Da läuft es mir kalt den Rücken runter…. Ich finde: es geht nicht nur um uns selbst; jede Einzelne steht stellvertretend für eine ganze Berufsgruppe, ihr Ansehen und ihre Wertigkeit.

Geld verdienen ist purer Feminismus

Aus kollegialer Verantwortung füreinander und für zukünftige Podologinnen müssen wir richtig gute wirtschaftliche Ziele haben.

Wer heute die podologische Leistung unterbewertet, gräbt dem Nachwuchs das Wasser ab.

 

  1. Frauen sind kritikscheu und haben ein weiches Herz.

Ich träume von einer männlichen Podologenwelt, in der die Männer uns einmal so richtig vorleben, wie „eiskalt“ man eben doch 60 €+ von der armen Omi nebenan verlangen kann.

Und dass es egal ist, ob sich jeder Podologie leisten kann, ob Füße auf der Strecke bleiben, oder ob man dann im Ort als geldgeil dasteht.

So what?

Gerade Anfängerinnen haben oft Durchsetzungsprobleme und tun sich schwer, Rahmenbedingungen zu definieren und verbindlich zu machen.

Dieser Lernprozess ist immer mit Lehrgeld verbunden: Ausfallgebühr, Honorar, Kontrolltermine…wir haben nichts zu verschenken.

Dass wir es trotzdem tun, hat etwas mit dem Selbstwertgefühl und der eingeimpften Konfliktscheue von Frauen zu tun– davon bin ich überzeugt. Und die soziale Ader kommt noch dazu, dass wir eben die ganze Welt versorgen wollen.

Zum Glück gibt es ganz hervorragende Vorbilder erfolgreicher Podologinnen, die sich wunderbar durchsetzen und verkaufen, ohne die Empathie zu verlieren.

Was bei anderen klappt, ist nicht unmöglich 😉

 

  1. Angestellte Frauen arbeiten häufig nur in Teilzeit.

Warum? Neben den Familienthemen sind geringere Verdienst-Anreize durch Steuernachteile der Grund.

Wenn die Frau die geringer verdienende Person im Haushalt ist, hat sie in der Regel Steuerklasse 5, was überhaupt keinen Spaß macht.

Mehr zu arbeiten lohnt sich dann kaum, da ist mehr Freizeit attraktiver oder gleich nur ein 520 € Job. Blöd für die Praxis!

Zum Glück soll das Ehegattensplitting reformiert werden, jedenfalls wird schon einmal darüber diskutiert.

Weshalb ist es wichtig, Frauen-Themen zu bearbeiten?

Aus einem einfachen Grund: um den Fachkräftemangel besser zu bekämpfen!

90 % der Berufsgruppe leidet „automatisch“ unter Gender-Hürden. Wären die alle weg- wie viel mehr Frauen würden sich für den Beruf entscheiden? Wie viele Frauen würden mehr Stunden arbeiten?

Wenn an allen Stellschrauben gedreht wird, dann bedeutet das ab sofort zufriedenere Podologinnen und damit mehr Arbeitskraft.

  • Weniger Abbruchquote,
  • mehr verfügbare Arbeitsstunden,
  • weniger Krankheit durch Überforderung,
  • mehr Fachkräfte-Nachwuchs durch attraktive Rahmenbedingungen.

Klingt einfach 😉

Nichts wie ran: eine wirtschaftliche Praxisführung, kein Verschenken von Leistungen aus den falschen Gründen, und die eigene Organisation was Care Arbeit betrifft sind schon richtig gute Schritte, um den Frauen-Fallen aus dem Weg zu gehen.

Was denkst du zu Gender-Themen? Schreib mir deine Meinung in die Kommentare!


Kommentare

3 Antworten zu „Hat die Podologie ein Frauen-Problem?“

  1. Avatar von denise-schumann
    denise-schumann

    😄 da war Olli Kahn mal wieder „on point“

  2. Ja, liebe Denise, so wahr!
    Oli Kahn würde sagen: „Eier, wir brauchen Eier“
    Liebe Grüße und ich glaube der Optimismus ist voll verdient und genau richtig! Ihr werdet eine ganz tolle Generation 😉

  3. Avatar von denise-schumann
    denise-schumann

    Liebe Anja,
    der Wert und adäquate Entlohnung für die Arbeit und den Einsatz der Podologinnen und Podologen kann nicht genug thematisiert werden.
    Wie Sie schon richtigerweise schreiben, beginnt und endet das Problem der Preisgestaltung nicht vor der eigenen Praxistür, sondern es BRAUCHT uns ALLE, um FÜR ALLE diesen schier nicht enden wollenden Dauerkreislauf der Unterbezahlung zu durchbrechen. Und hier wird es schwierig! Denn das Erste, was bei einer Praxisgründung getan wird, ist, nachvollziehbar bis zu einem gewissen Punkt, der Blick nach links und rechts „was nehmen denn die anderen so?‘‘. Ein zunächst durchaus anzuwendendes Mittel, um die Marktlage zu ermitteln. Wenn die Recherche aber einen Missstand offenbart, muss etwas verändert werden….und an diesem Punkt stehen wir uns alle selber im Weg!
    Es braucht tatsächlich viel Kraft und Durchhaltevermögen, den Weg der Veränderung – den Weg nach vorne – zu gehen (Wegbegleiter, die es natürlich nicht nur in der Podologie gibt).
    Die Überzeugung für die Sache an sich und vor allem auch von sich selbst und seiner Arbeit sind der Grundstein dieses Weges…wenn es daran schon mangelt, wird der Erfolg vermutlich eher übersichtlich sein.
    Der Weg zum Erfolg, zum „Gewinn“ bedeutet – meiner Erfahrung nach – anfangs auch erst einmal Verlust. Verlust an Kunden/Patient:innen, die für diesen Weg entweder kein Verständnis oder vielleicht nicht die finanziellen Mittel haben (die Situation, Menschen mit Bedarf bei bestehender „Mittellosigkeit“, muss aber an anderer Stelle geklärt werden. Gerne mit uns, aber nicht lediglich und allein durch uns!).
    Es bedeutet Verlust von bisherigen Wegbegleitern, Menschen aus den eigenen Reihen, Kolleg:innen, die, aus welchen Motiven auch immer, diesen Weg für sich nicht wählen – ja, sogar soweit gehen und den Weg des Fortschritts anprangern. Es bedeutet letztendlich, so lange nicht mehr mitziehen, erst mal einen ziemlich einsamen Marsch und verlangt um so mehr an Willensstärke ab. Willensstärke, die erfreulicherweise auch immer wieder dadurch gestärkt wird, dass Menschen und Kund:innen dazustoßen, die diesen Weg unterstützen und zum Weitergehen ermutigen ….ich bleibe also optimistisch 🙂
    Denise

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