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Mut zur Therapieauswahl
Die Podologie ist nicht wie Fußball, wo das Runde nur in das Eckige muss.
Sicher bist du auch über diesen Satz gestolpert:
„In der Diagnosegruppe UI1 stellt die Versorgung mit einer einteiligen unilateralen und bilateralen Nagelkorrekturspange z. B. Ross-Fraser, bzw. einteiligen Kunststoff- oder Metall-Nagelkorrekturspange (Klebespange) den therapeutischen Standard dar.
Die Versorgung mit einer mehrteiligen bilateralen Nagelkorrekturspange ist bei unabdingbarem therapeutischen Erfordernis im Ausnahmefall möglich.
In der Diagnosegruppe UI2 ist darüber hinaus eine Versorgung mit einer mehrteiligen bilateralen Nagelkorrekturspange möglich, wenn sie therapeutisch erforderlich ist.
Die Verwendung der mehrteiligen bilateralen Nagelkorrekturspange ist stets in der Patientendokumentation gesondert zu begründen.“ (Quelle, Seite 12)
Das ist das ganz große Argumente-Kino!
Ich frage mich, welche Germanisten im Keller der GKV sitzen und solche Sätze konstruieren?
Auf deutsch übersetzt heißt das:
„Wir (die GKV) wollen auf gar keinen Fall, dass PodologInnen die teure Leistung „mehrteilige Spange“ erbringen! Leider können wir es nicht so recht verbieten. Deshalb wählen wir eine fiese Formulierung, die mehrere psychologische Druckmittel nutzt.“
Psychologische Druckmittel:
- die Formulierung suggeriert einen Standard- jeder der davon abweicht, gehört nicht zur Norm
- Das Wort „unabdingbar“ baut richtig Druck auf: was im Leben ist schon unabdingbar?
- Mehrteiler sind theoretisch möglich, sollen aber die Ausnahme bleiben, und Ausnahmen sind ganz ganz selten-immerhin ist jedes zweite Mal schon der Weg in die Gewohnheit.
Die Formulierung führt dazu, dass ich mich frage: wie müssen die Argumente in meiner Doku zukünftig aussehen?
Wenn auch eine Klebespange „therapeutischer Standard“ ist, werde ich dann nur noch kleben, wenn RF nicht geht?
Und schon bin ich in die Falle getappt! Ich bin Opfer der Psychologie eines Keller-GKV-Germanisten-Satzes geworden.
STOP!
Wir dürfen uns die neu gewonnene therapeutische Freiheit nicht aus der Hand nehmen lassen.
In der Gesamtkonstruktion der Heilmittel-Richtlinie steckt erst einmal wahnsinnig viel Entscheidungsspielraum- viel mehr, als jede andere Therapieberufsgruppe aktuell nutzen darf. Mehrere hundert Euro „Therapiedifferenz“ stehen auf dem Spiel!
Es ist sogar ein Schritt in Richtung versteckte Blanko-Verordnung.
Die versteckte Blanko-Verordnung:
- Es liegt ausschließlich in unserer Hand, welche Technik (=welche Therapie) wir anwenden.
- Wir haben die Budgetverantwortung, und müssen verantwortungsvoll mit den Geldern haushalten.
- Leistungen sollen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Ziel ist die effektive und schonende individuelle Behandlung bis zur Heilung.
- Wir müssen im Zweifelsfall Argumente liefern, warum bestimmte (teure) Therapien notwendig waren.
Unsere Chance:
Nutzen wir unsere Möglichkeiten: nehmen wir unsere Patienten und Patientinnen als Maßstab!
Ich wünsche mir, dass wir selbstbewusst und patientenorientiert Entscheidungen fällen, professionell und klar in der Begründung sind, und uns nicht verängstigt auf „Therapie nach Schema F“ reduzieren lassen.
Wenn ich an Patienten denke, und nicht an Bürokratie, dann verliert der Satz seinen Schrecken, und kann als berechtigter Wunsch der GKV, Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich verfügbar zu machen, stehenbleiben.
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