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Podologie-Verordnungen für alle Autoimmunerkrankungen?
Podologie bei Autoimmunerkrankungen
Seit 2021 können nicht nur Menschen mit DFS Podologie „auf Rezept“ erhalten; auch alle anderen Ursachen für Neuropathie und Querschnittssyndrome können zu einer Verordnung führen.
Die Voraussetzung ist, dass Schäden an den Füßen drohen oder bereits entstandene Schäden therapiert werden müssen.
Allerdings besteht Unsicherheit, welche ICD-10-Codes bzw. Indikationen auf der Verordnung stehen dürfen, ohne dass es zu Absetzungen kommt. Auch Autoimmunerkrankungen können eine periphere Polyneuropathie zur Folgen haben.
Aber reicht allein die Diagnose „Autoimmunerkrankung“ aus?
Kann wirklich jeder Patient mit einer Autoimmunerkrankung eine Verordnung bekommen, oder, anders gefragt: ist jede Autoimmunerkrankung eine Neuropathie?
Was sind Autoimmunerkrankungen?
Aktuell gibt es ca. 80-100 bekannte Autoimmunerkrankungen.
Bei Autoimmunerkrankungen entwickelt der Körper durch verschiedene, häufig unspezifische Auslöser Autoantikörper, die ihre Autoimmunreaktion gegen körpereigenes Gewebe richten.
Die Folge sind entzündlich-degenerative Gewebeschäden, die entweder
- auf ein Organ oder eine Gewebegruppe begrenzt bleiben („organisch“) oder
- systemisch den gesamten Körper befallen („systemisch“).
Der Verlauf ist bis auf wenige Ausnahmen (wie z.B. Typ-1 Diabetes) immer chronisch-schubförmig.
Eine ursächliche Behandlung und damit eine Heilung gibt es nicht.
Die Entzündungen werden mit immunsupprimierenden Medikamenten und Kortikosteroiden unterdrückt, bei schweren, systemischen Verläufen (z.B. bei MS oder GBS) können auch Plasmapherese oder Immunglobuline notwendig werden.
Ist jede Autoimmunerkrankung eine Neuropathie?
Die kurze Antwort: Nein.
Unter den 80-100 Autoimmunerkrankungen gibt es einige, die keinen Bezug zum Fuß und keine begleitende Folge-Neuropathie haben. Jedenfalls nicht sofort, oder nur über Umwege.
Eine abschließende Liste bzw. genaue Einteilung, welche Autoimmunerkrankung wie häufig neuropathiebedingte Fußschäden hervorruft, gibt es nicht. Einige häufiger, andere seltener.
Organische Autoimmunerkrankungen, z.B. der Schilddrüse (Basedow und Hashimoto) oder M. Crohn und Colitis ulzerosa können langfristig mit Mangelversorgung und Neuropathie einhergehen.
Auch Gelenkrheuma kann durch starke Umbauprozesse im Fuß die Biomechanik so verändern, dass Folgeschäden drohen- aber eine Neuropathie tritt nicht zwingend auf. Auch der Typ-1 Diabetiker braucht (hoffentlich) Jahrzehnte, bis Komplikationen auftreten.
Man kann also nicht automatisch davon ausgehen, dass jede Autoimmunerkrankung eine NF-Behandlung begründet.
Anders gesagt: nur, weil jemand (irgend-)eine Autoimmunerkrankung hat, muss er oder sie nicht zwingend eine Dauer-Fußtherapie durch Podologen bekommen.
Wer soll behandelt werden?
In der Heilmittel-Richtlinie werden beispielhaft die ICD-10 Codes G 60-G 64, Polyneuropathien und sonstige Krankheiten des peripheren Nervensystems angeführt.
Dazu sagt der Fragen Antworten Katalog folgendes:
Frage: Muss bei einer NF-Verordnung in der Diagnose zwingend stehen: „neuropathisches Fußsyndrom mit Neuropathie“?
Antwort: Nein, es reicht, wenn die Neuropathie in der Diagnose oder per ICD-10 Code angegeben ist.
Es reicht also nicht nur ein Code für eine Autoimmunerkrankung aus, wenn man sicher abrechnen möchte.
Mindestens ein G60-64 Code sollte benannt sein.
Rheuma und Neuropathie
Andere Codes sind ergänzend möglich, erfordern aber einen genaueren Bezug. Hier ein Beispiel:
Wenn man auf Nummer Sicher gehen und die G60-G64 Codes nutzen möchte, muss zuerst die Diagnose Neuropathie gestellt werden, und dann der Querverweis auf die Ursache erfolgen (Weichteil oder Muskel-Skelett?).
Ist Psoriasis eine Neuropathie?
Psoriasis ist zwar eine Autoimmunerkrankung, Betroffene müssten aber zusätzlich noch eine nachgewiesene Neuropathie mitbringen.
Das kann der Fall sein, z.B. bei schweren Verlaufsformen der Psoriasis Arthritis- kann, muss aber nicht. Und ein ICD-10 Code mit Bezug zur Neuropathie (G60-64) ist die Sicherheit, dass auch wirklich abgerechnet wird.
Ohne Neuropathie-bedingte Folgeschäden am Fuß erfolgt die Behandlung auf Risiko des Podologen/der Podologin, auch wenn es bisweilen so gehandhabt wurde und (noch) keine Absetzungen entstanden sind.
Ist ein Schlaganfall eine Neuropathie?
Ein Apoplex, also ein ischämischer oder hämorrhagischer Hirninfarkt führt in der Regel zu einer Halbseitenlähmung. Die Ursache liegt immer im Gehirn! Hier ist also weder das periphere Nervensystem betroffen (NF), noch das Rückenmark (QF).
Wenn Schlaganfall-Betroffene zusätzlich unter einer peripheren Neuropathie leiden, kann Podologie verordnet werden, z.B. durch eine Critical-illness-Polyneuropathie nach längerem Aufenthalt auf der Intensivstation oder einer Koma-Phase.
Schlaganfall ist also keine periphere Polyneuropathie, und reicht nicht als alleinige Diagnose für NF.
Ist MS eine Neuropathie?
MS ist eine Autoimmunerkrankung, eine ziemlich schlimme sogar:
Multiple Sklerose, auch als Encephalomyelitis disseminata (E.d.) bezeichnet, zerstört die Myelinscheiden der Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark, und verursacht multiple Entmarkungsherde.
Dadurch reduziert sich die Übertragungsgeschwindigkeit der Nerven und es kommt im Verlauf zu Ausfallerscheinungen und schlaffen und spastischen Lähmungen (neben unzähligen anderen Symptomen).
MS ist zwar eine systemische Autoimmunerkrankung, aber keine Polyneuropathie.
Wenn Folgeschäden am Fuß drohen, sollte die Verordnung auf QF ausgestellt werden (außer es liegt zusätzlich eine Neuropathie für ein „NF“ vor).
Fazit
Die Diagnose einer „Autoimmunerkrankung“ alleine ist noch keine hinreichende Begründung für die podologische Behandlung.
Die Indikation muss immer den drohenden Folgeschaden am Fuß durch eine Neuropathie, Querschnittssyndrom oder Diabetische Neuropathie benennen und einen Bezug zur Grunderkrankung herstellen.
Selbst wenn aktuell Verordnungen ohne weitere Prüfung abgerechnet und ohne Beanstandung vergütet werden, bleibt dennoch ein Unsicherheitsfaktor: die Kassen haben immerhin mehr als 4 Jahre Zeit, Nachforderungen bei „Abrechnung nicht erlaubter Leistungen“ geltend zu machen. (Quelle: Rahmenvertrag, Seite 27 oben mit Verweis auf SGB I § 45 „Verjährung“)
Deshalb hier die klare Empfehlung: lass dir Verordnungen für NF auf die Codes G 60-G 64 ausstellen, damit bist du immer auf der sicheren Seite.
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